Wenige Monate nach den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda
entschied der Bürener Stadtrat, dass die ehemalige NATO-Kaserne im Wald
vor Büren zu einem Abschiebegefängnis ausgebaut wird. Die Stadt hätte sich
auch für eine Erstaufnahmeeinrichtung entscheiden können, aber
eingesperrte Menschen waren den Bürenern damals lieber als freie
Asylbewerber*innen. Der Umbau dauerte nur wenige Monate, sodass bereits
Anfang 1994, also vor rund 20 Jahren, die ersten Gefangenen in Büren
eingesperrt wurden.
Nicht nur in Büren, in der ganzen BRD wurde das Abschieberegime zu dieser
Zeit ausgebaut. Die Zahl der Abschiebegefangen stieg rasant an, ebenso wie
die Zahl der Abschiebungen.
Seit einigen Jahren gehen die Zahlen wieder zurück, und Abschiebeknäste
werden geschlossenen oder zurückgebaut. 2012 wurde der
Frauenabschiebeknast in Neuss abgewickelt und die Frauen nach Büren
verlegt. Die notwendige psychologische Hilfe, die viele von ihnen dringend
benötigen, nachdem sie in ihren Herkunftsländern, auf der Flucht oder in
der Illegalität Opfer sexualisierter und anderer Gewalt wurden, erhalten
sie in keiner Weise. Ganz im Gegenteil: Deutsche Behörden und die Haft
schreiben die Gewaltgeschichten fort. Auch in der Angst vor der
Abschiebung in die unerträglichen Lebenssituationen, vor denen sie
geflohen sind, werden die Menschen alleine gelassen.
Büren ist inzwischen der einzige Abschiebeknast in NRW, und mit 384
Haftplätzen der größte Deutschlands. Und während u.a. in
Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz laut über den Sinn von
Abschiebehaft nachgedacht wird, machen die Ausländerbehörden hier regen
Gebrauch davon. Kein anderes Bundesland nimmt so viele Menschen in
Abschiebehaft wie NRW. In Büren sitzen so viele Gefangene wie in allen
anderen Bundesländern zusammen.
Abschiebehaft, was bedeutet das?
Vom Gesetz her ist Abschiebehaft eigentlich nichts anderes als die
Sicherstellung eines Verwaltungsaktes, nämlich der Abschiebung. Für die
Betroffenen bedeutet dies aber, dass sie bis zu 18 Monate in Haft genommen
werden, um ihre Abschiebung sicher zu stellen.
Immer wieder wird ihre Haft verlängert, da die Ausländerbehörde es doch
nicht schafft, die Personen abzuschieben, da Papiere fehlen, oder gerade
keine Flieger in die Zielländer gehen, weil der Flughafen zerbombt ist.
Für die Gefangen bedeutet dies eine ständige Perspektivlosigkeit und
Unsicherheit, da sie nie wissen was passiert. Sie könnten jeden Tag
abgeschoben werden, oder ihre Haft wird um weitere 3 Monate verlängert.
Die alltägliche Ungewissheit und das zermürbende Warten nehmen die meisten
Betroffenen als stark belastend wahr. Nicht selten kommt es innerhalb der
Haft zu (Re-)Traumatisierung.
Aus Furcht vor der bevorstehenden Abschiebung haben sich seit der
faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993 mehr als 60 Menschen in
deutschen Abschiebeknästen das Leben genommen. Die herrschende
Abschiebepolitik hat diese und viele weitere Tote zu verantworten.
Am 30. August 1999 verbrannte Rachid Sbaai in einer Arrestzelle des
Bürener Knastes. Er war nach einem Foulspiel auf dem Sportplatz in die
Isolationshaft verlegt worden. Die genauen Umstände seines Todes lassen
sich nicht mehr klären, Tatsache ist jedoch, dass Rashid kurz vor seinem
Tod einen Notruf abgesetzt hat. Die Notrufzentrale war jedoch nicht
besetzt, so dass jede Hilfe zu spät kam.
Die BRD arbeitet derweil daran, die Verantwortung für ankommende
Asylsuchende an andere EU-Staaten abzuwälzen. Die DUBLIN II-Vereinbarung
schreibt vor dass Asylgesuche in dem EU-Land gestellt werden müssen, das
zuerst betreten wird. Die meisten Flüchtlinge reisen über Griechenland und
Italien ein, die dortigen Aufnahmekapazitäten sind jedoch begrenzt und der
Umgang mit Asylsuchenden beschränkt sich oft darauf, diese zu inhaftieren
und anschließend in die Obdachlosigkeit zu entlassen.
Gleichzeitig wird die Grenzsicherung immer umfassender, während legale
Migration an hohe Anforderungen gebunden ist. Die europäische
Grenzschutzagentur FRONTEX operiert mittlerweile im gesamten
Mittelmeerraum und an den östlichen EU-Außengrenzen, um irreguläre
Migration zu unterbinden. Mit militärischer Technologie werden Flüchtlinge
aufgespürt, zur Umkehr gezwungen oder illegal zurückgeschoben. Je schärfer
die Kontrollen werden, umso gefährlichere Routen müssen die Menschen
nehmen. Das europäische Grenzregime produziert so Leichen, um den
Wohlstand ihrer Bürger*innen zu schützen. Das Mittelmeer ist zum
Massengrab geworden, und die Verantwortlichen sitzen in Berlin und
Brüssel.
Rassismus tötet!
Abschiebeknäste sind Ausdruck einer rassistischen Politik gegenüber
Geflüchteten und Migrant*innen. Sie selektieren ankommende Menschen nach
Nützlichkeitskriterien und den Erfordernissen des Kapitals. Sie stellen
außerdem sicher, dass Menschen die aus Angst und Not in die BRD geflohen
sind, gegen ihren Willen in Elend, Folter und Tod abgeschoben werden.
Abschiebehaft gehört ersatzlos abgeschafft! Abschiebungen müssen
verhindert werden und die Betroffen müssen ein bedingungsloses Bleiberecht
bekommen!
Zu einer neuen Welle von selbstorganisierten Protesten ist es seit März 2012 gekommen, nach dem Selbstmord eines Iraners in einem Würzburger Lager. Mit mehreren Märschen quer durch Deutschland und Protestzeltlagern in den Innenstädten, mit Hungersteiks und einem öffentlichen Tribunal haben Geflüchtete seitdem gegen ihre Isolation in den Lagern, gegen die Residenzpflicht und für ein Bleiberecht protestiert. Viele dieser Aktionen dauern an, und die Verantwortlichen geraten zunehmend unter Druck. Auch verschiedene Protestaktionen gegen Abschiebungen gelangten in den letzten Wochen und Monaten in die Öffentlichkeit und zeigen erste Erfolge.
Wir werden uns nicht auf die Versprechungen von Politik und Verwaltung
verlassen. So haben Grüne und SPD in NRW angekündigt die Haftbedingungen
im Abschiebgefängnis Büren stark zu verbessern. Herausgekommen ist ein
Koalitionsvertrag, der im Endeffekt besagt, dass man sich in Zukunft an
geltende Gesetzte halten will.
Bleiberecht wird weiterhin von selbstorganierten Strukturen erkämpft
werden müssen. Wir werden wiederkommen, bis auch der letzte Gefangene frei
ist! Abschiebehaft abschaffen – Abschiebeknäste schließen!
Der Aufruf auf English: Petition -- Infos: http://buerendemo.blogsport.de